Die Stärke von Kartoffelschalen
Die Kartoffel ist eine Nutzpflanze, die aufgrund ihrer großen Anpassungsfähigkeit fast überall auf der Welt angebaut wird. Mit dem Begriff "Kartoffel" wird im Allgemeinen die im Boden wachsende Knolle der Pflanze bezeichnet, von der jährlich weltweit mehr als 370 Millionen Tonnen geerntet werden. Sie ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel weltweit; allein in Deutschland liegt der Pro-Kopf-Verbrauch bei fast 60 Kilogramm jährlich.
Kartoffeln bestehen zu 80% aus Wasser und sind reich an Vitaminen, Proteinen, Mineralstoffen wie Kalium, Magnesium und Eisen sowie Kohlenhydraten. Zudem enthalten sie Stärke, wenige Kalorien und so gut wie kein Fett.
Trotz der wertvollen Inhaltsstoffe kommen in Deutschland jährlich 1,5 Millionen Tonnen der gesunden Knolle nicht über den Anfang der Wertschöpfungskette hinaus, d. h. sie werden bereits entsorgt, bevor sie zu Endprodukten verarbeitet oder dem Verbraucher zur Verfügung gestellt werden. Meist, weil sie nicht die richtige Farbe, Form oder Größe haben oder geringfügige optische Mängel aufweisen, obwohl sie immer noch genießbar sind. Dazu kommt, dass diese Zahlen nur die Kartoffeln einschließen, die wirklich geerntet werden. Bezieht man die nicht geernteten Knollen mit ein, ist die Verschwendung noch höher. Dabei geht nicht nur der Teil der Kartoffel verloren, den wir verzehren, sondern auch die Schale. In vielen Augen gilt sie ohnehin als Reststoff und wird bei der Verarbeitung der Knollen meist entsorgt, obwohl auch sie eine Menge Potenzial hat.
In unserem Artikel über
Bioplastik haben wir Ihnen bereits eine Anwendung von Kartoffelschalen vorgestellt. Kurz gesagt, kann Stärke zur Herstellung von biologisch abbaubarem Kunststoff verwendet werden, und diese kann nicht nur aus Getreide, Reis und Hülsenfrüchten, sondern auch aus Kartoffeln und Kartoffelschalen gewonnen werden. Eine stärkere Nutzung der Schalen und überschüssigen Kartoffeln, die nicht in den Handel oder die Produktion gelangen, würde die Herstellung von Biokunststoffen nachhaltiger gestalten, denn derzeit werden stärkehaltige Lebensmittel gezielt für die Gewinnung von Stärke angebaut, obwohl genügend Reststoffe vorhanden sind, die vor dem Müll gerettet werden könnten.
Kartoffelstärke kann auch Speisestärke beim Kochen und Backen ersetzen, denn sie eignet sich wie Weizenstärke oder Maisstärke unter anderem als Bindemittel für Soßen und sorgt dafür, dass Teig leicht und luftig wird.
Kartoffelpülpe
Bei der Gewinnung von Stärke aus Kartoffeln fällt als Nebenprodukt die sogenannte "Kartoffelpülpe" an, die aus faserigen Bestandteilen der Knolle und Stärkeresten besteht, die nicht extrahiert werden konnten. Die Pülpe besteht zu 87 bis 88 % aus Wasser und enthält nur noch wenige Vitamine, Proteine und Mineralien, ist aber reich an Kohlenhydraten und wird deshalb als energiereicher Futterzusatz für Nutztiere wie Kühe und Rinder verwendet. Dafür wird sie vorher getrocknet. Auch Pülpe, die Kartoffelschalen enthält, ist als Futtermittel geeignet.
Nicht nur Kartoffelpülpe, sondern auch schlecht vermarktbare Kartoffeln, die wegen optischen Mängeln aussortiert werden können verfüttert werden, zum Beispiel in der Form von Tierfutterpellets. Darüber hinaus kann Kartoffelpülpe nicht nur von Tieren, sondern auch von Menschen konsumiert werden. In Südamerika zum Beispiel wird die Pülpe in Wasser oder Milch zu Klößen gekocht und als Dessert serviert.
Kartoffelschalen
Wenn Sie im Internet recherchieren, stoßen Sie vielleicht auf den Tipp, dass Sie Kartoffelreste, wie zum Beispiel die Schalen zu Chips verarbeiten können, was aber nicht ratsam ist. Kartoffelschalen enthalten Solanin, welches zu den Glykoalkaloiden zählt. Glykoalkaloide sind toxische Stoffe, die in Nachtschattengewächsen vorkommen und diese vor Schädlingen und Krankheitserregern schützen sollen. Wenn Solanin in größeren Mengen aufgenommen wird, kann es Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Das Solanin befindet sich hauptsächlich in der Schale, besonders an den Keimstellen, aber auch in grünlich verfärbten Bereichen der Knolle. Die Tatsache, dass die Schalen eher nicht zum Verzehr geeignet sind, bedeutet jedoch nicht, dass sie keine Verwendung mehr haben.
Gerade wegen des in ihnen enthaltenen Solanins können sie als
Bestandteil von Reinigungsmitteln dienen. Solanin ist fettlösend und erzeugt bei Kontakt mit Wasser sogar einen seifenartigen Schaum. So kann ein biologisches Reinigungsmittel aus Kartoffelschalen verwendet werden, um Fettflecken aus Kleidungsstücken zu entfernen oder um Teppiche und Edelstahlflächen zu reinigen. Darüber hinaus kann es auch zur Reinigung von Glas, wie zum Beispiel Fensterscheiben, verwendet werden. Die in den Kartoffelschalen enthaltene Stärke bewirkt dort zusätzlich einen Abperleffekt, der vor Neuverschmutzung schützt. Außerdem enthalten Kartoffeln und ihre Schalen Oxalsäure, die auch in chemischen Reinigungsmitteln zu finden ist und Rost sowie Kalk lösen kann.
Kartoffelschalen können nicht nur in der Reinigungsindustrie, sondern auch in der
Kosmetikbranche eingesetzt werden. Wegen der enthaltenen Vitamine können sie zum Beispiel zu Haarpflegeprodukten verarbeitet werden, welche die Haare stärken und ihnen Geschmeidigkeit verleihen. Zudem sorgt Vitamin B für glänzende Haare, da es die Aktivität der Talgdrüsen, die fettiges Sekret an die Hautoberfläche abgeben, reguliert. Bei regelmäßiger Anwendung wird blondes Haar etwas dunkler. Dasselbe gilt auch für graue Haare, die mit der Zeit weniger sichtbar sind.
Außerdem enthalten Kartoffelschalen Antioxidantien, antibakterielle Verbindungen sowie Phenole und haben eine bleichende Wirkung auf die Haut. Sie können also eingesetzt werden, um dunkle Flecken wie Augenringe aufzuhellen und ein ausgeglichenes Hautbild zu erzeugen. Außerdem können Kosmetikprodukte aus Kartoffelschalen die Haut mit Feuchtigkeit versorgen und dabei überschüssiges Öl, die häufigste Ursache für unreine Haut, aufsaugen.
Die Schalen wirken darüber hinaus mildernd bei Hautreizungen wie Akne und Pickeln. Kartoffelschalen sowie Rückstände aus der Kartoffelverarbeitung lassen sich auch in Milchsäure umwandeln, die ebenfalls auf vielfältige Weise zur Herstellung von Reinigungs- und Kosmetikprodukten genutzt werden kann. Der Rohstoff kann alternativ sogar in Methanol konvertiert werden, welches unter anderem als Kraftstoff dient.
Darüber hinaus können Kartoffelschalen auch in der
pharmazeutischen Industrie genutzt werden, denn sie wirken beruhigend bei Verbrennungen sowie Entzündungen und versorgen die Haut mit Feuchtigkeit. Außerdem haben sie antibakterielle Eigenschaften. Es ist zudem möglich, die vielen weiteren Inhaltsstoffe zu extrahieren, um auch sie für medizinische Zwecke zu nutzen. Zum Beispiel Chlorogensäure, die sowohl in den Knollen als auch in den Schalen der Kartoffel enthalten ist, hat viele gesundheitliche Vorteile. Sie wirkt antimikrobiell, d. h. sie hemmt das Wachstum von Keimen, tötet Mikroorganismen und hilft bei bakteriellen Infektionen. Sie reduziert auch die Bildung des Stresshormons Cortisol, welches in zu großen Mengen den Blutdruck erhöht und zu Herzkrankheiten und Fettleibigkeit sowie zu Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten führen kann.
Neben der Verwendung in Reinigungsmitteln oder Kosmetikprodukten können Kartoffelschalen auch als Anzündmaterial für Öfen und Kamine sowie als Brennstoff verwendet werden, da sie sehr langsam brennen und relativ lange nachglühen. Wie Sie sehen, ist die Schale ein nicht zu unterschätzender Rohstoff, der sein volles Potenzial wahrscheinlich noch gar nicht entfaltet hat.
Wenn wir den Reststoff in einen Wertstoff verwandeln, wird die Entstehung einer Kreislaufwirtschaft begünstigt, in der wiederverwendet statt verschwendet wird.
Die Corona-Pandemie stellt uns vor weitere Herausforderungen, denn aktuell werden noch mehr Kartoffeln verschwendet als üblich. Restaurants und Schnellimbisse, die normalerweise ein wichtiger Abnehmer sind, weil sie die Knolle zu Pommes verarbeiten, haben geschlossen und so bleiben alleine in den Niederlanden eine Millionen Tonnen Kartoffeln übrig.
In solchen Zeiten müssen künftig alternative Einsatzmöglichkeiten gefunden werden, um wertvolle Rohstoffe zu verarbeiten. Es ist zwar vorzuziehen, sie zur menschlichen Ernährung zur Verfügung zu stellen, aber wenn das nicht möglich ist, sollten sie vermehrt an andere Industrien weitergegeben werden. So können wir verhindern, dass wie in diesem Fall tonnenweise Kartoffeln entsorgt werden müssen. Wichtig ist jedoch, dass bei einem Ausfall der Rohstoffquelle kein wirtschaftlicher Schaden entsteht, denn wenn die Restaurants wieder öffnen dürfen, steigt die Nachfrage nach Kartoffeln schnell wieder an. Eine Lösung für solche Probleme finden wir nur, wenn wir branchenübergreifend Zusammenarbeiten.
Let’s simplify the future of change!